Synästhesie

   

im Prozess der Improvisation, Komposition und Interaktion.

 

BESCHREIBUNG:

Ein Klang löst ein inneres Erleben aus. Ein Ton kann einen Raum für die Wahrnehmung von Farben, Formen, architektonischen Strukturen öffnen. Der begriffliche Überbau für vernetztes Wahrnehmen aus Hirnarealen die üblicherweise nicht miteinander interagieren ist „Synästhesie“.

„Meine“ Synästhesie ist die Farb-Ton-Synästhesie. Sie passiert in beiden Richtungen. Sehe ich Farben, kann ich Klänge/Musik „hören“. Es ist kein „Hören“ wie wir es mit dem äußeren Sinnesorgan kennen. Es ist schwingend, empfindend, ein nach innen lauschen, körperlich. Höre ich Musik, kann ich in den Raum eintauchen in dem ich Farben, Formen, architektonische Strukturen innerlich sehe. Es gibt weiche, warme, harte, unruhige, kantige, quirrlige, runde Formen in Bewegung, sich drehend, schnell, langsam, stehend u.v.m.

Ein digitaler Klang hat andere Farben als ein akustischer. Eine E-Gitarre klingt überwiegend neonfarben. Heavy Metal sehe ich in dunklen Farben. Gerade Formen, eine harte, metallartige Haptik und lang gezogene weißliche Linien ziehen durch die überwiegend schwarz-graue Substanz. Farben, Formen und Strukturen können teils charakteristisch für eine Musikrichtung sein.

Farbschattierungen, Nuancen, in Bewegung, sich ineinander schiebend, verschachtelnd, aus unterschiedlichen Konsistenzen bestehend. Taktiles Empfinden ist ein weiterer Bestandteil des synästhetischen Wahrnehmungsspektrums.

Als 17-jährige war ich 38 mal in einer Kandinsky-Ausstellung. Ich wusste zu der Zeit nicht dass Kandinsky Synästhetiker war. Beim Anschauen der Bilder erlebte ich diese innere Schwingung. Eine musikalische Logik schien mir in den Bildern zum Ausdruck gebracht zu sein. Stundenlang „lauschte“ ich ihrem Klang, konnte innerlich „zusehen“ wie sich Klangräume entfalteten, veränderten, verschwanden, sich neu formierten.

Das Erforschen meiner synästhetischen Wahrnehmung während des musikalischen Prozesses soll in zwei künstlerischen Rahmen (die erste Hälfte der Studienzeit) und in einem interaktiven Rahmen (überwiegend die zweite Studienzeit) statt finden:

  1. IMPROVISIERTER KOMPOSITIONSZYKLUS

Improvisation am Klavier und teilweise zusätzlich der Geige. Einspielung der Improvisation am Klavier bzw. Einspielung auf ein Aufnahmegerät (Zoom oder Loopstation). Die Geige wird improvisatorisch (weiter unten gehe ich detallierter auf den Prozess ein) darüber gelegt.

Der Improvisationsprozess und der zeitgleich stattfindende innere Prozess stehen im Fokus. Die musikalische und innere Entwicklung/Veränderung bis hin zur fertigen Komposition wird dokumentiert.

Die Vorgehensweise stelle ich mir folgendermaßen vor:

Zu Beginn einer Improvisation weiß ich nicht was passiert. Ich „sehe“ nichts. Ich „springe“ ins Unwissbare, noch nicht Existente. In dem Buch „Gespräche mit berühmten Komponisten“ von Arthur M. Abell spricht Johannes Brahms über seinen Zustand beim Komponieren; seine Öffnung nach oben, zu Gott, zur Inspiration. Das berührt mich sehr und ich denke, dass wir Künstler vielleicht häufiger als Andere uns in diese „Situation“, „Stimmung“ begeben oder sie mit uns „geschieht“ bzw. „geschehen lassen“. Es ist ein Raum, in dem man sich mit allem verbunden fühlt. In dem man zunächst,- wie beim Brainstorming,- der Kreativität freien Raum lässt, um anschließend sich über das Entstandene mit dem inneren Kritiker zu beugen, um es zu durchleuchten, zu prüfen, zu sortieren und zu ordnen.

Während des Spielens nehme ich die innerlich entstandenen Bilder wahr. Das Wahrgenommene, Formen und Farben, werden notiert. Zu Beginn ist es bruchstückhaft/skizzenhaft. Überarbeitet wird die Improvisation bis sie sich „richtig“ anfühlt, harmonisch „aussieht“ (was durchaus „unharmonisch“ klingen kann). Jeder Durchgang mit dem damit einhergehenden inneren Prozess wird in schriftlicher Form dokumentiert.

Während des Spielens sind die innerlich wahrnehmbaren Formen noch sehr beweglich, nicht greifbar, subtil. Nach dem ersten Durchgang höre ich mir die Improvisation an. Nun entstehen erste greifbare Bilder, Farben, auch Gefühlsstörungen. Ich notiere die inneren Wahrnehmungen. Hier setze ich an mit der Überarbeitung. Der Prozess wird so lange wiederholt bis das Bild „stimmt“. Mit mehr Übung ist es vielleicht sogar möglich eine im Prozess aufgetauchte „Gestalt“ zu greifen und willentlich die Improvisation in diesem Charakter fortzuführen. Das wird sich im Laufe der Arbeiten herauskristallisieren.

Diese erste Improvisation ist das Grundgerüst für die weiteren Schichten. Als Allegorie bietet sich die Architektur an. Gründliches, akribisches Arbeiten ist beim Fundament nötig damit die Ebenen darüber „stabil“ sind.

Eine zweite Ebene füge ich mit einer darüber gelegten, improvisierten Geige ein. Über Kopfhörer höre ich die nun ausgefeilte Improvisation am Klavier. Die Formen, Farben und Strukturen werden klarer. Die Geige bringt eine neue Klangfarbe, eine weitere Dimension, ins Spiel. Sie kann unterschiedlich eingesetzt werden. Der Klangraum wird geweitet. Auch hier notiere ich den inneren Prozess. Die Geige kann unterstreichen, Farben hervorheben, Spitzen kreieren, eine neue Richtung geben, nuancieren, wärmen etc.

Die Geige verstehe ich als ganzen Klangkörper und setze bei Bedarf alle möglichen Klänge/Geräusche ein.

Die menschliche Stimme mit seinen möglichen Facetten („Singen“ im üblichen Sinne, Summen, Schnalzen, Geräuscherzeugung durch Lippen und Zunge) setze ich punktuell ein. Diese Geräusche nehme ich allein stehend als Farben (ein gesungener Ton), Formen die sich „anfühlen“ (z.B. Schnalzgeräusche), kalt, warm, rund, kantig, in Bewegung oder ruhig.

Die Reihenfolge der Instrumente kann variieren. Ein Einblick: https://open.spotify.com/playlist/6VUiF88NC49t20WuIyvanC https://www.youtube.com/channel/UCINWxI0Sb_eLpMDtqGv_tvg

Ziel ist ein Kompositionszyklus von ca. 24 Stücken und ca. 75 Minuten Spieldauer. Jede Improvisation kann anhand der schriftlichen Dokumentation der Farben, Formen bildlich dargestellt werden. Ein Maler könnte die Kompositionen visualisieren.

Finde ich einen Maler der die Stücke malt bzw. einen Grafikdesigner oder eine Kombination der beiden visuellen Kunstrichtungen, sind Ausstellungen mit einer musikalischen Life-Performance angedacht.

In umgekehrter Richtung: Die

  1. BILD-VERTONUNG

Abstrakte Bilder, die eine Resonanz in mir auslösen in Form einer inneren Bewegung und/oder einer Form, Farb-bzw. Gestalt-Wahrnehmung werde ich für die Vertonung verwenden. Die Versenkung in das Bild löst eine innere Bewegung, eine Schwingung aus. Durch absichtsloses Eintauchen und auf der Welle des Bildes „Surfen“ – eine Bemühung mit Hilfe der Improvisation den Geist des Bildes sozusagen zu „Berühren“ und auf diese Weise dem Bild eine „Stimme“ zu geben. Wie der Bildhauer. Die geistige Anstrengung, um aus einem Stein die Form herauszugestalten, die in ihm liegt. Die dem Stein eigen ist. Das Innere nach Außen kehren. Dem Bild eine „Stimme“ geben.

Ein Experiment einer Live Performance „Music and Performing Art“ mit dem Neurographiker Jörg Lehmann: https://youtu.be/PK46tmjVlWQ https://youtu.be/FWxAwZ3z7lw

Bei 1. und 2. soll keinerlei „Beliebigkeit“ aufkommen. Das gelingt durch die Anlehnung an die bisherige Forschung, den Dialog und folgende fundamentale philosophische Kriterien bzw. Tugenden, die als Basis dienen:

Das Schöne, das Wahre und das Gute.

Schönheit. Das Empfinden des Schönen und die Integration derselben (Roger Scruton:

„Schönheit. Eine Ästhetik“)

Das Wahre. Dasjenige, was ich als „richtig“ empfinde ist es, das wahr für mich ist. Joseph Beuys ließ seine Studenten selbst entscheiden welche Arbeit gut bzw. „wahr“ war. Im eigenen, ehrlichen Bemühen dem „Wahren“ nahe zu kommen (wenn man davon ausgehen kann dass zwischen dem „Ich“ und dem „Wahren“ ein Weg liegt) liegt meiner Meinung nach eines der größten Felder für die Potentialentfaltung.

Das Gute. Das „Gute“, dasjenige, das sich „richtig“ anfühlt soll die letzte der drei Tugenden darstellen.

Es soll keine philosophische Diskussion um die drei Tugenden aufgeworfen werden. Sie gelten lediglich als zusätzlicher Anker und Halt auf geistiger Ebene während der künstlerisch-wissenschaftlichen Reise.

  1. INTERAKTION

Interaktive Konzerte mit dem entstandenen Kompositions-Zyklus in unterschiedlichen Rahmen und Einrichtungen.

Das Publikum wird eingeladen sich zum einen malerisch während des Konzertes zu beteiligen. Papier und Stifte werden mitgebracht bzw. bereitgestellt. Ich gebe eine Einführung zur Synästhesie (altersgerecht, bei Kindern z.B. in Form einer Geschichte) mit einer Überleitung in die eigene Stille. Anschließend lade ich zu intuitivem Malen ein. Die Stücke sind nummeriert. Ebenso die Blätter um einordnen zu können welches Bild zu welchem Stück gehört. Nach dem interaktiven Konzert gehen die Bilder an mich und werden nach Alter, Farben, Formen, Bewegung sortiert und wissenschaftlich ausgewertet.

Eine weitere interaktive Einladung kann Bewegung sein. Durch eine musikalische Einleitung entsteht der Impuls zum Bewegen. Das Publikum geht aus der passiven Zuhörer-Rolle in die aktive Mitgestaltung. Durch das Eintauchen in die Musik entsteht Bewegung. Diese wiederum löst durch die entstandene neue Schwingung einen neuen Improvisationsimpuls bei mir aus. So entsteht eine gemeinsame Improvisation von Musiker und „Publikums-Künstler“. Es gibt nur eine Regel, die vorher vereinbart wird: Wir bleiben im Kontakt, tauchen ein ins Innere, dem inneren Impuls folgend und fortwährend mit einem offenen Blick für den Raum, die Anderen und Veränderung.

Es ist sozusagen das „Nach-Außen-kehren“ des Empfundenen. Ein durch den Körper zum Ausdruck bringen. Eine beeindruckende, differenzierte Auflistung von Bewegungsmöglichkeiten/Bewegungsspektren (Cytowic 1993) findet man im „The Oxford Handbook of Synesthesia“ im Kapitel „Movement in Synesthetic Art“.

Wie komme ich zu diesem Thema?

So lange ich denken kann „sehe“ ich innerlich die Musik in Formen, Farben, Strukturen, Bewegungen. Als Kleinkind hörte ich Kassetten an, spulte etliche Male zu den Stellen zurück, die mich besonders berührten, in denen ich besonders stark ausgeprägte „Gestalten“ wahrnahm.

Nach einem Konzert (ich hatte das Mozart Violinkonzert mit Orchester aufgeführt) fragte mich meine beste Freundin wie ich es schaffte Werke auswendig zu spielen. Da wurde mir das erste mal bewusst, dass ich mir die Abfolgen der Töne und Griffe leicht einprägen konnte da ich die dazugehörigen Formen und Farben (bei dem Konzert überwiegend gelb, hell, weißlich-durchscheinend, golden) und deren Abfolge vor meinem geistigen Auge sah. Mir wurde bewusst, dass meine Wahrnehmung nicht üblich war.

Während des Jungstudiums arbeitete mein Klavierprofessor Michael Lesslie mit mir viel im Dialog zwischen Musik und Malerei. Seine Frau war Malerin und im Unterricht gab es regelmäßig Interaktionen zwischen der Musik und Farben/Formen auf einer Tafel mit Kreide. Die Gestaltung der Musik, die Interpretation eines Werkes, fanden wir mit Hilfe der Bewegung beim Malen. Dem Einsatz von Farben und Formen. Das Körpergefühl, das beim zeitgleichen Malen, Musik Hören und umgekehrt (mal spielte ich am Klavier und er malte, dann tauschten wir) entstand, war faszinierend klar und eindeutig.

In der Zeit meines Klavierstudiums ergab sich die Gelegenheit ein Konzert mit einem Gitarristen aus dem Stegreif zu improvisieren. Äußerst nervös sprang ich in die Erfahrung und „hangelte“ mich von Farbe zu Farbe. Es war ein Eintauchen in ein schwingendes Farbenmeer:

Ein einschneidendes Erlebnis. Ein Bruch. Ein Überdenken der Bedeutung des Interpreten. Der Beginn einer Reise. Einer Suche. Ich begann zu improvisieren ohne es gelernt zu haben. Ich hatte bereits während meiner Schulzeit (Besuch von Jazz-Vorlesungen im Rahmen des Jungstudiums) eine schriftliche und praktische Projektarbeit über Jazz absolviert. Allerdings fühlte ich mich in der „Sprache“ des Jazz nicht zu Hause.

Die Suche nach der „eigenen“ Sprache scheint ein Weg ohne Ende, ohne Ziel.

Ein Gefühl, wie das Stehen auf einer Eisscholle und das fortwährende Ausbalancieren, Gleichgewicht Finden. „Den Boden“, eine Sicherheit, fand ich schließlich, als ich mich auf mein inneres Wahrnehmungsfeld besann und auf Arbeiten stieß, die eine starke Emotion des „Erkennens“ und des „erkannt Werdens“ hervorriefen. Eine der stärksten körperlichen Reaktionen (ich sah die Bilder und war hierdurch so überwältigt, dass mir Tränen in die Augen schossen) hatte ich bei den Bildern von Lawrence E. Marks im Magazin „Psychology Today“ vom Juni 1975: https://repositorium.uni-muenster.de/document/miami/6ed85add-2d8c-44ad-a2c3-d7019b01d849/jewanski_buchblock_bd2.pdf (S. 66)

Eine Zeit lang hatte ich versucht zu malen was ich sehe/empfinde. Die Mischung der Farben gelang mir nicht, war zu „rein“, zu „flach“. Ich hätte viel Zeit beim Erlernen des „Malerei- Handwerkszeugs“ investieren müssen, um das auf´s Papier bringen zu können, was ich innerlich wahrnahm. Als mir das klar wurde, entschied ich mich den Fokus bei der Musik und in meinem Kompetenzbereich zu behalten.

Ein weiteres „Forschungsfeld“ sind meine Schüler.

Klingt Moll blau? Und Dur hell? Sind bei meiner aus der Improvisation entstandenen Komposition „Emotion in Blue“ (Spotify: https://open.spotify.com/track/0dnxdwbkwEPMRdhOUOsi1V) die Farben für andere „sichtbar“ bzw. „wahrnehmbar“, die ich beim Spielen wahrnahm? Ich hatte die Möglichkeit mit 70 Kindern und Jugendlichen den Test zu machen. Verteilt waren Papier und Stifte. Ich improvisierte in c-moll, sie malten.

Dann in Dur. Es wurde gemalt. Dann „Emotion in Blue“, ohne den Titel zu nennen.

Beim Durchsehen der Bilder wurde deutlich: 95 % der Kinder und Jugendlichen hatten bei der „Impro in Moll“ zur Grundfarbe Blau gegriffen. „Dur“ hingegen schien fast einstimmig gelb und rot zu sein. „Emotion in Blue“ wurde Blau, und von einigen sogar als Bild am Meer/Wasser gemalt. Einige Kinder hatten bei Moll traurige Geschichten oder ruhige Naturlandschaften gemalt. „Dur“ bekam ein fröhliches Gesicht, die Sonne, Kreise und Fröhlichkeit.

Auch die natürliche Verbindung von Bewegung und Musik scheint mir ein nicht trennbarer Aspekt zu sein. Als Schülerin spielten wir mit der Interaktion von improvisierter Musik und Bewegung. Ein sich in die Musik fallen Lassen ruft natürliche und zur Musik passende Bewegungen hervor. Wir spüren die Musik, verstehen ihre Sprache körperlich. Da muss uns niemand etwas erklären. Bewegung haben auch die Gestalten in der synästhetischen Wahrnehmung. In einer Interaktion – wie oben beschrieben – zwischen Musiker und Publikum werde ich den wahrnehmbaren Formen, die sich in den Vordergrund drängen, musikalisch Ausdruck verleihen. Ein „Bewegender“ kann neue Formimpulse auslösen, die ich musikalisch aufgreife. Während meiner Arbeit an einer Schule mit Kindern und Jugendlichen, mit denen ich in diesem Format arbeitete, zeigte sich bei einigen eine intuitive Wahrnehmung von Formen (z.B. im Kreis Gehen / Laufen) als Ausdruck der Musik.

Wie passiert synästhetische Wahrnehmung? Ist sie willentlich beeinflussbar? Das heißt, ist es möglich als Synästhetiker den Raum für synästhetische Wahrnehmung willentlich zu erweitern? Verändert sich die synästhetische Wahrnehmung während eines musikalischen Prozesses innerhalb eines Werkes und innerhalb eines größeren Zeitraumes? Auf welche Weise verläuft eine synästhetische Entwicklung, wenn ich als Synästhetikerin die Synästhesie in den Fokus meines Lebens stelle? Ausgehend von der aktuellen neurowissenschaftlichen Forschung, dass das Gehirn plastisch ist und sich stetig und Altersunabhängig anhand der Lösungen die man findet, verändert (Gerald Hüther), gehe ich davon aus, dass ich durch die Beschäftigung mit dem Thema und das kreative, künstlerische Eintauchen in das Selbige, Erfahrung und Wissen generieren kann, welche an dem Punkt ansetzen, wo sich wissenschaftliche Forschung mit der künstlerisch-geistigen verbindet und Hand in Hand neue Räume erschließt.

Ich denke, dass die Beleuchtung der beiden Schwerpunkte, zum einen, die Verbindung von Musik und Farbe, Form, Struktur, zum anderen, die von Musik und Bewegung, aus künstlerisch-wissenschaftlicher Perspektive und in Interaktion (u.a. mit Studierenden von künstlerisch orientierten Hochschulen, mit Kindern und Jugendlichen in Schulen, mit einem „normalen“ Publikum etc.) einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann. Auch im Hinblick auf das weitere Integrieren von künstlerischen Räumen in unserem Bildungssystem. Es ist ein Wahrnehmungsfeld, das in unserer Gesellschaft, insbesondere im Bildungssystem, wenig Raum bekommt und noch nicht auf Augenhöhe mit naturwissenschaftlichen Fächern gehandhabt wird. Eine Integration ist mehr als wünschenswert. Zum anderen zeigt die Forschung (siehe Prof. Nikolić aus Frankfurt), dass Synästhesie abstrakte Konzepte leichter verstehen hilft. Das Gedächtnis von Synästhetikern reicht oftmals weiter in die Kindheit zurück und ist leistungsfähiger. Das Erlernen von Noten, z.B., gelingt mit farblicher Unterstützung deutlich besser. Auch das systematische Verstehen eines Stückes, das man mit Hilfe unterschiedlicher Farben visualisiert, gelingt bei Kindern leichter. Vor allem bei denjenigen, die sich schwer tun mit dem üblichen, „materiellen“ Stoff.

Die Integration synästhetischen Wissens im Bildungssystem würde Kinder mit einer noch unverstandenen künstlerischen Fähigkeit, die fälschlicherweise noch in der Schublade des „üblichen“ Schulfach-Verständnisses und Leistungszwangs stecken, entlasten, fördern und unterstützen.

Die individuelle Art unter den Synästhetikern stellt die Forschung auf diesem Gebiet bekanntermaßen vor Herausforderungen. Die Komplexität zu verbalisieren ist eine weitere Herausforderung auf dem Weg des Erforschens. Die innere Erlebniswelt zu visualisieren z.B. mit Hilfsmitteln wie Lichtmaschinen (wie z.B. Skrjabin „Prométhée“) oder Computern möchte ich nicht. Die materiellen Hilfsmittel erscheinen mir heute noch zu grob zu „flach“, zu „eindimensional“ um das wiedergeben zu können was sich im Inneren abspielt. So wie ein Wort den Inhalt herunterbricht und nicht an die Größe und Individualität der Empfindung heranreicht. Wobei der technische Bereich mir vielleicht einfach noch nicht sehr liegt, oder besser gesagt nicht in meinem Kompetenzbereich. Denn möchte ich im gleichen Atemzug ein sehr faszinierendes Experiment in Zusammenarbeit mit dem Simualationsspezialisten und Ingenieur Dr. Dr. Michael Stadler aus Graz nennen. Die Vertonung fluider Bewegungsdynamik stellte die erste Weiche in Berührung von akustischer Musik und Computervisualisierung. Ein Weg, den ich weiter verfolge und so die innere Berührungsdistanz aufweichen kann.

In dem am 25.06.2020 erschienenen Buch von Jörg Jewanski, Sean A. Day und Anton V. Sidoroff-Dorso „Synaesthesia: Opinions and Perspectives: 30 Interviews with Leading Scientists, Artists and Synaesthetes“ zieht sich als roter Faden durch die Interviews auf die Frage: „why is it important to do research on Synaestesie?“ die Antwort, die Wahrnehmung von uns Menschen sei individuell und eine Forschung von Menschen aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern kommend, äußerst sinnvoll und notwendig. Im folgenden Zitat greife ich die Betonung der Wichtigkeit als Künstler und Synästhet durch die Kunst und die eigene Wahrnehmung zu forschen, auf: „(…) a great deal more research is needed into music-related forms of synaesthesia (…)“ „(…) the richness of the experiences shared by musician- synaesthetes substantially improves our insights into how this condition impacts musical development (…)“ (Solange Glasser, S. 210) „ (…) synesthesia also sheds light on the active, creative aspect of perception: perception is not about a passive reception of an objective world, a “world-receiving”, but the creation of a personal world, a“world-making” (Sérgio Basbaum, S. 222)

Der erste Artikel über Synästhesie erschien 1893 von dem russischen Psychologen Vladimir Nikolaevich Ivanovsky. „The Oxford Handbook of Synesthesia“ (Dec. 2013) zeigt den Stand der heutigen Forschung der Synästhesie in den unterschiedlichen Bereichen. Auch hier wird deutlich, dass es sich um eine junge Forschung handelt, die von Menschen aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern vertieft werden will.

Synästhesie tritt nicht so selten auf wie es scheint (die Aussagen schwanken nach aktuellem Stand zwischen 1% – 12% der Bevölkerung).

Es ist vielmehr ein innerer Raum, dessen Tür man öffnen und in den man eintreten kann. Ich selbst bin wohl mit einer „offenen Tür“ geboren und möchte im Rahmen des Doktoratsstudiums diesen Raum bzw. die dahinter liegenden Räume erforschen. Mein zweiter Beweggrund ist durch Interaktion anderen Menschen den Raum zu geben um die eigene Tür zu finden, hindurchzusehen, einzutreten, bisher unbekannte innere Wahrnehmungsfelder zu entdecken. Als ob man einen Nebelschleier vor dem geistigen Auge wegziehen würde. Eine Allegorie kann das Bild eines Berggipfels im Nebel sein. Sobald der Nebelschleier sich auflöst, erstrahlen die Farben im leuchtenden Licht der Sonne.

Einige meiner synästhetischen Grundwahrnehmungen: Farb-Ton Zuordnung (meine)

C = kristallin, zwischenfarbe weiß- schwarz, keine Farbe, offen

Cis = ? stechender, spitzer

Des = vollere Farben, ölig, triefend, Richtung „Ei“-Gelb, schwärzlich ist „beigemischt“

D = gelb-orange, nach oben offen, Bewegung vertikal rauf

Dis = dünner, fadenförmig

E = blau

Es = blau-lila

F = purpur-blau, dünnfarbig,

Fis = türkis-blau, heller, weißlich

G = grün, horizontal, Gis = hellgrün

As = dunkel-rot, blut-rot, bordeaux, tiefe, sonore Farbe, ist nicht im Raum sondern ist der

Raum

A = rot, warm, ruhig-bewegend

H = Zitronengelb, weißlich

Überwiegende Farbspektrenzuordnung bei Komponisten und deren „Kompositionssprache“: Chopin: Blau-Töne horizontal, flächig

Mozart: gelb, orange, hell, vertikal, spiralenförmig, gewitzt

Debussy: grün, gelb

Rachmaninov: rot, braun, wild, goldgelb, große, sich bewegende „Landschaft“

Beethoven: überwiegend dunkle, große Farben

Pärt: Himmels-blau, gelb, hellblau, durchscheinend, horizontal

Bach: durchscheinend, keine Farbe, universal

Tschajkovskij: grün

Schubert: weiß, gelb, wellenförmig, in Bewegung

Schumann: weißlich, horizontal, sehr langsame Bewegung

SKRJABIN´S FARB-TON-ZUORDNUNG

Cytowic, Farben hören, Töne schmecken., a. a. O., S. 68. Die Farbdarstellung folgt nach folgender Zuordnung.

Da Skrjabin nicht im Dur-Moll-tonalen System komponiert hat, sind im folgenden die Töne

angegeben.

Fis Takt 1-86 blau, grell (reines Blau) As Takt 87-110 purpur,

violett B Takt 111-148 stahlartig, mit Metallglanz (bleiern) H Takt 149-164 weißlich (mondfarben)

B Takt 165-201 stahlartig, mit Metallglanz (bleiern)

C Takt 202-304 rot

Des Takt 305-308 violett (lila) D Takt 309-408 gelb

E Takt 409-458 blau-weißlich, ähnlich dem H Eis Takt 459 rot, dunkel

Fis Takt 460-606 blau

ABSTRACT

Die Wissenschaften haben einen Grad der Spezialisierung erreicht, die es durchschnittlich gebildeten Menschen unmöglich macht, daran teilzuhaben. Das führt in breiten sozialen Schichten zu Resignation und Desinteresse an Bildung. Dabei übernehmen zunehmend Mainstream-Medien die gefährliche Rolle der verkürzten Darstellung von vor-verdautem Wissen, das zu Fehlinterpretationen führen kann und deren Wahrheitsgehalt schwer zu überprüfen ist.

In dieser Arbeit sollen Möglichkeiten erörtert werden, wissenschaftliche Aspekte via Synästhesie in Kompositionen zu transformieren. Auf diesem Weg soll für die Menschen ein neuer Zugang zu komplexen Themen geschaffen werden. Synästhesie ist die Kopplung von zwei oder mehr getrennten Sinnesreizen. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf der Farb-Ton Synästhesie und das Spektrum wird über die etablierten Bereiche hin ausgedehnt.

Aufbauend auf ersten Experimenten mit Simulationswissenschaftlern werden synästhetische Interaktionen mit diversen Feldern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung untersucht. Ziel der Arbeit ist es, via Synästhesie musikalische Kompositionen zu schaffen, die als Vermittlungsebene und Kommunikationskanal für komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge dienen.

Musikalisch-Meditative Einstimmung. Besinnung, Konzentration, nach Innen hören um dann den Stift anzusetzen und dem Inneren Ausdruck verleihen.