Lienchen´s Abenteuer

eine Reise von der Angst über den Mut hin zur Freude und einem erfüllten Herzen

Lienchen wohnte in einer ganz normalen, ein wenig chaotischen, oder besser gesagt kreativ und täglich ein wenig neu gestalteten Wohnung.

Eines Nachts überkam sie ein gruseliger Schauer. Sie hatte den Eindruck, dass eine Gestalt an ihr vorbei gehuscht sei. Eine große, männliche Gestalt. Die Dunkelheit hatte ihr jedoch die letztendliche Sicherheit, dass es kein Traum gewesen war, genommen.

Einige Nächte lang wiederholte sich die unbegreifliche Begebenheit. Nachdem die Gestalt an ihr vorbei gehuscht war, verschwand sie im Eingang zur Höhle. Ein dunkelgrauer, alter, muffiger Vorhang diente als Tür zur uralten Höhle. In die Höhle trat Lienchen nie. Den Vorhang ignorierte, die Höhle verdrängte sie sogar gänzlich. Diese dunkle Höhle ohne Licht mit ihrem mittelhohen Gewölbe und schwarzem Gestein. Die Kontur der Felsen konnte die Hand beim darüberstreichen als wellenförmig erspüren. Trotz der Dunkelheit war es seltsamerweise möglich zu sehen. Nicht das Augenlicht war es, das hier zu sehen imstande war. Was sich hinter der Höhle verbarg, wusste Lienchen nicht. Sie hatte ein Gefühl, eine Ahnung,- war das kaum sichtbare Tor am Ende der Höhle das Tor zur anderen Welt? Geheimnisvoll war es ohne Zweifel. Und ja! Sie hatte große Angst davor und hatte die Erinnerung an die Höhle erfolgreich über viele Jahre verdrängt. Nur der trübsinnig-grau-alte Vorhang zischelte ihr ungnädig bei jedem Vorübergehen ins Ohr…

…Erinnerte sie an das Geheimnis hinter der Schwelle. „zschhhhhh“ machte er. Und wieder: „zschhhzschhhh“. Erinnerte sie, sich nicht aus vollem Herzen freuen zu können. Da die zwar verdrängte, doch herzhaft zäh nagende, unbewusste Angst ihr Seelchen drückte. Täglich war sie damit beschäftigt diese Angst auf Distanz zu halten, was natürlich Kräfte zehrend war. Die fortwährende Präsenz der Angst fesselte sie langsam, schnürte unerbittlich ihr Herz zu ohne dass sie es merkte. Sie wurde schwermütiger, hob den Kopf immer seltener hoch und seit langem hatte sie sich nicht mehr aus vollem Herzen freuen können. Wie auch? Die Angst hatte sich bei ihr eingenistet. Schleichend Besitz von ihr ergriffen. Die Angst nährte sich von ihrer Kraft ihr nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen zu wollen. Lienchens Ausweichmanöver waren Futter für die Angst.

Eines Nachts um 00:00h – sie spülte gerade das Geschirr ab – bewegte sich rasch eine dieser unbegreiflichen, unreal erscheinenden und furchteinflößenden Gestalten an ihr vorbei. Nur die eine Körperhälfte konnte sie erkennen. Die andere schien grau-verschleiert, nebulös, ja gar unsichtbar. Sie erstarrte mit dem Küchentuch in der Hand. Selbst das Küchentuch sank voller Furcht in ihren Händen zusammen, bemühte sich sich völlig in Lienchens Händen zu verstecken, gleichermaßen unsichtbar zu werden. Es schloß die Augen und wartete mit angehaltenem Atem.

 

Lienchen zitterte vor Angst. Doch stärker stieg in ihr das Gefühl der Sehnsucht nach Gewissheit und Lüftung des Geheimnisses empor. Bildete sie sich die Gestalt nur ein? Oder war sie doch real? Sie musste es wissen! Kurz entschlossen legte sie das zitternde Küchentuch beiseite und lief der Gestalt hinterher.

Der graue, schwere Vorhangwar noch in Bewegung vom hinterlassenen Luftstrom vom Beiseite schieben. Also war es kein Geist! Sie hob den Vorhang und glitt unter ihm hindurch in die dunkle Höhle. Da! Die Gestalt vor ihr bewegte sich dem hinteren Ende entgegen. Er wollte durch das Tor in die andere Welt! Und war doch kein Geist! Sie erkannte ihn von hinten als menschliche, als männliche Gestalt aus Fleisch und Blut. Und plötzlich geschah es. Tief in ihr Inneres hinuntergerutscht traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag: Die Angst stahl ihr die Lebenslust und Freude. Die Angst war es die sie lähmte, schnürte, sie träge und freudlos werden lies. Doch hatte SIE die Angst zugelassen!

Sie sprang hoch und landete kräftig auf beiden Beinen, klatschte in die Hände, stämmte die Arme in die Seiten und lachte laut auf. Die Gestalt drehte sich um. Zufrieden und wohlwollend-froh funkelten seine Augen ihr zu. Er stieß ein lautes Lachen aus. Sie begann zu tanzen. Freudig und anerkennend klatschte er jauchzend auf seine Oberschenkel – er sa ihren Entscheidung für die Freude. Er sah ihre Erkenntnis, dass allein sie entschied was ihr Inneres ausfüllte. Ein Sprung! Eine Entscheidung! Und die Freude war Heim gekehrt, füllte ihr Herz und aufgelöst hatte sich die graue, zäh-ziehende und muffelnde Angst. Lienchen und der Mann tanzten den Tanz den zwei starke Herzen, die sich für die Lebensfreude entschieden hatten, tanzen können.

Und ja, sie konnten plötzlich fliegen.

Text: Maria Anastasia Hörner - aus einem Traum - all rights reserved